Ein Fisch, zwei
Giraffen, eine Arche, ein Mammut, Kuh und Kalb, dann noch
ein Kreuz. Eine seltsame Figurengruppe aus Holz ragt auf der
"Sonderheld" bei Baasem unweit der B 51 in
den Eifelhimmel. Diese "Arche" wurde
1995 begonnen. Ein Gemeinschaftswerk Düsseldorfer
Kinder und Jugendlicher unter der Leitung des Künstlers
Franz Karl Bößer.
Im
"Naturmuseum Eifel", wie der Düsseldorfer Künstler Franz Karl
Bößer sein Freiluftatelier nennt, kommen die Macher der Arche
seit 1995 im Sommer zu einer fünfwöchigen Ferienfreizeit zusammen.
Ein Zeltlager unweit des "Arche"-Platzes oberhalb des Simmeltals
wird dann zum Atelier für die jungen Nachwuchskünstler. Die
20 bis 30 Kinder aus Düsseldorf werden betreut vom Städtischen
Kinderhilfezentrum der Landeshauptstadt. Die Stadt, Spender
und ein Freundeskreis des Kinderhilfezentrums finanzieren
den Kunst-Urlaub.
So werden "Heimkinder" in den
Sommerferien zu kreativen Köpfen, und ganz nebenbei der berühmte
Satz von Joseph Beuys, dass jeder Mensch ein Künstler sei,
einmal mehr bewiesen.In Zeichnungen und Plastiken setzen die
Kinder und Jugendlichen ihre Idee "der Erde und dem Menschen
eine Arche zu bauen" (Bößer) um. Und am Ende der Freizeit
gibt es ein großes Abschiedsfest.
Das Ergebnis ist eine prozesshaft
über Jahre entstandene "soziale Skulptur", die die jungen
Kreativen in der Auseinandersetzung mit dem Arbeitsmaterial
Holz im "Naturmuseum Eifel" umsetzen. Mit 20.000 Dias, 1000
Linolplatten, rund 800 Leinwände, Geschichten, Gedichte,
und Holzmodellen. Die Skulpturen warnen vor Umweltverschmutzung
und Zerstörung.
Fichte, Esche und Eiche, das
Rohmaterial, kommen aus einem Sägewerk im nahen Stadtkyll.
Die 4,50 Meter hohen Giraffen, der rund fünf Meter lange Fisch
werden zum Schluss auf einen Hänger geladen und von Öko-Bauer
Klaus Stadtfeld, dem der Grund auf der Sonderheld gehört,
mit dem Trekker den Hügel hinaufgezogen. Von der Anhöhe grüsst
so ein Ensemble, das unten auf der B 51 den südeuropäischen
Früchte-Transportern beim Transit nach Ost- und Nordeuropa,
den Eifel- und Moselurlaubern von Köln nach Trier und Luxemburg
eine Mahnung, vielleicht auch nur eine kleine Abwechslung
bietet.
Aufmerksamen
Zeitgenossen ist dabei nicht entgangen, dass das Ensemble
selbst Wandlungen unterliegt. Mal war es ergänzt um ein riesiges
Nashorn, mal um einen überdimensionalen Hasen und eine Jägerfigur.
Hase und Jäger waren für den Jagdpächter des Geländes allerdings
der Anspielung zuviel und wurden wieder abgebaut. In diesem
Jahr ist der übergroße Fisch entstanden. Und was
kommt als nächstes in
die Arche? Unten beim Atelier wartet ein Mammut
auf den Bergtransport. Noch im
Herbst 2000 erhielt die gesamte Gruppe den
nötigen Schutzlack gegen Wind und Wetter aufgetragen
bekommen. Und im Juli 2001 sind die Düsseldorfer Kinder wieder
da. Im Naturmuseum Eifel.
Das
Kreuz und der Eichenhof
Ich
bin voll damit einverstanden!" Klaus Stadtfeld, Landwirt am
Eichenhof, hat die Idee von Franz Karl Bößer vor gut fünf
Jahren auf Anhieb überzeugt. Schließlich hatte er schon 1986
den vom Wohnzimmerfenster aus gut zu sehenden Platz auf seiner
Flur Sonderheld als Natur-Bühne erkannt. "Der Platz ist von
überall her gut einsehbar, das ist doch ideal", so der 47-Jährige,
der vor 14 Jahren ein Holzkreuz auf die Anhöhe stellte. Das
sei Symbol und Warnung zugleich für den verantwortlichen Umgang
mit der Natur und den für ihn wichtigen christlichen Gesamtzusammenhang
des Erdenlebens.
Für Stadtfeld gehört sein Eichenhof mittlerweile
"irgendwie zu der Arche-Gruppe dazu". Er bewirtschaftet den
Hof im Sinne des Anthroposophen Rudolf Steiner. Ganzheitlich,
umweltbewusst, Ressourcen-schonend. Auch wenn die Umstellung
des Hofes mit zum Beispiel Verzicht auf Kunstdünger ihm in
den "ersten drei Jahren nur ein paar Gänseblümchen und Löwenzahn"
auf dem Acker sowie den Spott der Kollegen einbrachte.
Beides ist Vergangenheit. Und jetzt passt
das Eichenhof-Konzept zum Projekt der Kinder und Jugendlichen.
"Wer den Kindern verwehrt, sich bewusst mit der Umwelt auseinander
zu setzen, der spinnt doch irgendwie", so sein Kommentar zu
Kritik am Personal auf seinem Hügel. Mittlerweile hört er
immer öfter das Gegenteil. Eifel-Touristen fragen nach, was
es mit der "sozialen Skulptur" so auf sich hat. Denn Hinweisschilder
oder ähnliches sind nicht geplant. "Das erklärt sich selbst",
ist sich Klaus Stadtfeld sicher.
Franz
Karl Bößer: Warum sich einlassen?
Selbsterfahrung,
Selbstfindung, Persönlichkeitsbildung sind uns allen ein Anliegen
und ein Bedürfnis, dafür aber umso ‚schwammiger' in der Begrifflichkeit.
Bedürfnisse, Wünsche, Träume, Realität, Schule und Arbeit
bestimmen unser Dasein. Aber sind wir wirklich da? Erfüllt
Schicksal oder Da-Sein das eigene menschliche Sein?
Das 'Gespräch' mit den Kindern und Jugendlichen
ist anfänglich ähnlich einem 'Umwerben' ihrer Person, um sie
zunächst einmal überhaupt zu einer Äußerung zu bewegen, zudem
zu einer menschlich ehrlichen, emotional-persönlichen Äußerung,
welche die ihnen geläufige, bekannte Ebene oberflächlicher,
nichtssagender und unverbindlicher Kommunikation verlässt.
Die Kinder und Jugendlichen zu einer Äußerung zu bewegen,
heißt, dem Wort entstammend, sie 'in Bewegung' zu setzen,
sie 'auf den Weg zu bringen' und sie überhaupt zu ermutigen,
'sich auf den Weg zu machen'.
Wir sind ihre Wegbegleiter, da beginnt
das Gespräch miteinander. Dieses Wagnis einzugehen, ist sicherlich
eine Vertrauensfrage. Gerade für Kinder und Jugendliche, die
langfristig, meist bis zur Volljährigkeit, in einem Heim aufwachsen
und leben, ist, nicht ohne Grund, diese Vertrauensfrage oft
problematisch.
Warum sich einlassen? Emotionalität ist
einerseits ein starkes Bedürfnis, andererseits aber ein Buch
mit sieben Siegeln.
Biografie
Franz Karl Bößer
3.1.1934
- 20.4.2003
1940-1945
ausgebombt, verschüttet,
verschickt und in Ostpreußen als Flakhelfer eingesetzt
1945-1947
Gefangenschaft, Kuhhirte
in Ostpreußen, Ukraine und Polen
1947
Flucht nach Westdeutschland
1950-1953
Lehre als Maschinenschlosser
mit Abschluss
1953-1961
Geselle und Montageleiter
in verschiedenen Werken der Schwerindustrie
1956-1962
Studienfahrten mit dem
Kanu durch Europa
1965-1969
Studium an der Höheren
Fachschule für Sozialarbeit
1970-1976
Arbeit in sozialen Brennpunkten
der offenen Jugendhilfe und Gruppenleiter einer heilpädagogischen
Wohngruppe
1970-1977
Studium in der Joseph-Beuys-Klasse
der Kunstakademie Düsseldorf
1976-1980
Errichtung des Werkhauses
im Städtischen Kinderhilfezentrum Düsseldorf mit Schwerpunkt
Kunst vor Ort
seit 1987
Gastdozent im Institut
für soziale Arbeit Wuppertal
seit 1990
Gastdozent für Kunst und
Methodik in der Sozialakademie Wansdorf
Ausstellungen im Werkhaus
des Städtischen Kinderhilfezentrums Kunst vor Ort -
Bilder "Le Musee des enfants"
1993
Raumlehre "Arbeit
an der Sozialen Skulptur"
seit 1994
Naturmuseum Eifel
seit 1995
Naturmuseum Eifel "Der
Erde eine Arche bauen".
Franz
Bößer und die "Soziale Skulptur"
Von
Petra A. Richter
Als
Franz Bößer 1971 im Alter von 37 Jahren an der
Kunstakademie Düsseldorf bei Joseph Beuys ein
neues Studium anfing, hatte er bereits eine jahrelange
Berufserfahrung in der Schwerindustrie und ein
abgeschlossenes Studium der Sozialpädagogik hinter
sich. Als Sozialarbeiter hatte Bößer in Stadtnotunterkünften
für Randgruppen oder in sozialen Brennpunkten
für Jugendliche aus problematischen Elternhäusern
gearbeitet, in der Abteilung der Jugendhilfe und
schließlich im Städtischen Kinderhilfezentrum
Düsseldorf in einer Gruppe für verhaltensgestörte
und ausgegrenzte Kinder im Alter von neun bis
16 Jahren.
Aufgrund seiner Erfahrung in
der Sozialarbeit hielt Franz Bößer ein ganzheitliches
Angehen menschlicher Probleme durch die Kunst
in dem von Joseph Beuys vorgegebenen Sinn für
möglich. So konzentriert er sich weniger auf die
Produktion von Kunstwerken als auf die Integration
seiner künstlerischen Arbeit in den sozialpädagogischen
Bereich. Sein soziales Anliegen versucht er in
Anlehnung an das Konzept des erweiterten Kunstbegriffs
und der "Sozialen Skulptur" im "Sozialatelier
Kunst vor Ort" im Städtischen Kinderhilfezentrum
Düsseldorf umzusetzen.
Bößer installiert in seiner Arbeit
Kunst als festen Bestandteil seiner sozialpädagogischen
Arbeit, um dem Bedürfnis nach Subjekterfahrung
und Veränderung gegebener Situationen nachzukommen.
Soziale Erfahrungen, die in der Welt der Jugendlichen
nicht mehr glatt gelingen, werden durch ästhetische
Erfahrungen, durch schöpferische Gestaltungsprozesse
ermöglicht.
Bößer versucht, in der Auseinandersetzung
mit den Jugendlichen von realen Bedürfnissen auszugehen,
aktuelle menschliche und gesellschaftliche Fragen
zu berücksichtigen, situativ auf die Bedürfnisse
der Kinder einzugehen. Über die gemeinsame künstlerische
Arbeit und das Erleben mit den Kindern versucht
er, einen Bereich zu schaffen, der den Kindern
eine kreative Entwicklung und Transferleistung
in alltägliche Bereiche und damit Veränderung
von Verhaltensstrukturen ermöglicht.
Der
Weg zur "Arche"
Sie sehen die Skulpturengruppe
unweit der Bundesstraße B 51/E 42 Euskirchen/Blankenheim/Trier
kurz hinter Dahlem auf der rechten Seite in Fahrtrichtung
Trier.
Fahren Sie in Baasem ab.
Auf der folgenden T-Kreuzung links, und nach einer Rechts-Kurve
rechts und sofort links die kleine Teerstraße (Radwanderweg)
in Richtung Eichenhof.
Nach gut einem Kilometer erreichen sie rechter Hand den Hof.
Unmittelbar im Anschluss führt Sie ein Wirtschaftsweg
wieder zurück in Richtung
B 51, nach rechts sehen Sie nach circa 500 Metern die Sonderheld
mit der Arche.
Besichtigung ist jederzeit nach Rücksprache mit Landwirt
Klaus Stadtfeld vom Eichenhof möglich. Der Weg führt
über Weiden den Berg hinauf.